"Das arme Dorschulmeisterlein"
Biederbach, das 1214 erstmals urkundlich als "Biberbach" erwähnt wird, gehörte seit seiner
Gründung zum Pfarrsprengel Eschenbach.
Dem Deutschen Orden gelang es im Laufe des 15. Jahrhunderts den ganzen Ort in seinen Besitz zu bringen und ihn
in das Vogteiamt Eschenbach zu integrieren. Der Schulsprengel der Deutschordensschule Eschenbach erstreckte sich,
wie damals üblich, auf die Deutschordensuntertanen des Vogteiamtes Eschenbach innerhalb der Pfarrgrenzen.
Die Kinder von Biederbach hatten also die Schule in Eschenbach zu besuchen und werden dies auch getan haben,
soweit sie von ihren Eltern oder dem Deutschorden dazu angehalten wurden.
Wann die "Gemeinde" Biederbach zum ersten Mal einen eigenen Schulmeister angestellt bzw. eine eigene
Schule installiert hat, ist nicht bekannt. Dass sie dies des öfteren versucht haben, lässt sich aus
späteren Berichten immer wieder entnehmen. Als Hauptgrund für eine eigene Schule wird vor allem der
lange Fußweg [3/4 Stunde] nach Eschenbach angegeben. Die Kinder, darunter bereits 6-jährige,
müssten bei Wind und Wetter, bei Schnee und Kälte und in der Dunkelheit ihren Schulweg zurücklegen.
Vor allem im Winter, wo es immer wieder zu Erfrierungen einzelner Kinder kam, wäre das nicht zu verantworten.
Ein Vater schrieb dazu einmal, dass er seinen Sohn trotz Prügel nicht dazu brachte den Wald, der sich
zwischen Biederbach und Eschenbach befindet, bei Dunkelheit zu durchqueren um in die Schule nach Eschenbach zu
gehen. In welch herrlichen Zeiten leben doch heute die Kinder, die fast von der Haustüre mit dem Bus bequem
und warm zur Schule gebracht werden.
Erst 1741 (Januar) erfahren wir, dass die Biederbacher Kinder einen "instructore" [= Schulmeister]
erhalten, " welchen sie Verpflegen undt gering [zu] besolden [haben]...". Der Name dieses Schulmeisters
ist uns leider nicht bekannt. Aus der kurzen Nachricht des Stadtvogtes Wilcken ist jedoch zu entnehmen, dass es
sich nicht um die Fortsetzung einer bestehenden Maßnahme bzw. Schule handelt, sondern wenigstens um einen
Neuanfang. Denn er scheint dieser Maßnahme skeptisch gegenüber gestanden zu sein und wollte beizeiten
berichten: " ... wie lang aber solches bestandt haben werde..."
Dass diese Skepsis des Vogtes nicht unbegründet war, erfahren wir aus der Anweisung seines Nachfolgers Franz
Anton Cammerer vom 7. Dezember 1746 an die Gemeinde Biederbach. In ihr wird der Gemeinde eine "unVerantworttliche
Nachlässigkeit" bei der "Christlichen AuffErziehung ihrer Kinder" vorgeworfen, die auch "keine
Sorge trage, wie die Jugend zum höchst Nöthigen Lesen und Schreiben angehalten werde.. und die Jugend
in gänzlicher Unwissenheitt, gleichsamb wie das liebe Viehe auffwachsen" lasse. Dreizehn namentlich
aufgeführte Kinder würden dem Unterricht völlig fernbleiben. Dies bedeutete bei einer schulfähigen
Kinderzahl von 14 Schülern gelinde ausgedrückt, dass bis auf einen keiner die Schule besuchte.
Die Eltern werden ermahnt ihre Kinder künftig regelmäßig in die Schule zu schicken. Bei
Verstößen haben sie dem Schulmeister trotzdem seinen Lohn und seine Kost zu verabreichen und es
wird ihnen mit Strafe der geistlichen- und weltlichen Obrigkeit gedroht.
Falls dies die Schulverhältnisse nicht bessern hilft, müssen sie mit der Rücknahme dieser
"herrschaftlichen Bewilligung" rechnen.
Aus diesem "Decret" ist u.a. zu entnehmen, dass es sich bei der Schule in Biederbach nur um eine
Winterschule gehandelt hat, die von Martini (11. November) bis zum 1. Mai dauerte. Im Sommer haben die
Biederbacher Kinder nach wie vor die Schule (Sommerschule) in Eschenbach zu besuchen.
Die Anstellung des "Lehrers" war keine Aufgabe des Deutschen Ordens, sondern der Gemeinde Biederbach
selbst. "Wanderschulmeister" nannte man vom 16. Jahrhundert an zunächst diese Lehrer, die sich wie
Knechte und Mägde saisonweise im Schuldienst verdingten, dann aber auch jene Lehrer, zu deren Besoldung das
"Umessen" bei den Bauern gehörte. Schließlich galt diese Bezeichnung auch für die
Schulmeister, die ihre Schüler im Wechsel in verschiedenen Bauernhäusern unterrichten mussten, weil
ein eigenes Schulhaus im Dorfe fehlte.
In Biederbach handelte es sich um einen klassischen "Wanderschulmeister", der, nur für die
Winterschule gedungen, für sein Essen von Hof zu Hof gehen und Unterricht in den verschiedenen Bauernhäusern
halten musste.
Über die damaligen Schulverhältnisse und die dort "gedungenen" Wanderschulmeister in Biederbach
ist uns ein ausführlicher Bericht des damaligen Stadtpfarrers Roeder von 30. April 1793 überliefert, der
auch stellvertretend für andere Dorfschulverhältnisse in Bayern ist. So berichtet er: " ... diese
Schullehrer waren meistenteils Leute, die selbst wenig Fähigkeit, Unterricht und Kenntnis in dieser Sache hatten;
die etwa verdorben Lesen, und ein ärmliches ABC schreiben konnten, daß also die guten Kinder kaum ihren
Katechismus und ihren Namen ohne Fehler schreiben lernten. Und war auch zuweilen einer unter diesen Lehrern, als
zu Beyspiel ein Maurer der einige große Buchstaben malen konnte, als wie sie das Gelobt sey J. C. [Jesus
Christus] ober die Haustüre malten pflegen oder etwas von dem Einmal Eins herschwätzen wußte,
so besaß dieser Mann nach den hiesigen Berichten der dortigen Bauern eine so unverrückbare Geschicklichkeit,
daß sie sein Lob auszuposaunen nicht müde wurden. Überdies mußten diese Leute nach der hiesigen
Landsprache "zechend herumgehen", d.h. sie mußten ihre Mittags- und Nachtkost von Haus zu Haus bey
den Bauren suchen, von welchen sie Kinder zu unterrichten hatten: hieraus entstand aber diese Verderbnis, daß
der Lehrer es nicht wagen dürfte seine ausgelassenen Lehrlinge wegen ihren Vergehungen nur scheel anzuschauen,
vielweniger ihren Unfleiß, Unsittlichkeit und anderen Mängel schulmäßig zu bestrafen, wenn er
sich der Gefahr nicht aussetzen wollte, heute oder morgen von der in ihre Kinder blind verliebten und durch den
gezeigten Ernst des Lehrers aufgebrachten Mutter eine versalzene Mittagssuppe und noch oben drein bittere Vorwürfe
zu erhalten. Ferner wurden diese Lehrer von den Leuten selbst nach Art der Gemeindediener anfang des Winters bis auf
Ostern gedungen, und wer an Kost und Lohn am wenigsten begehret, der war der tauglichste für diesen Posten.
Reiche Bauern u. arme Taglöhner mußten die selben Kosten aufbringen ..."
Uns mag diese realistische Schilderung des Stadtpfarrers Roeder heute mitunter ein Schmunzeln entlocken, doch
zeigt sie ohne Beschönigung den schwierigen und unzureichenden Stand des Bildungswesens in diesem kleinen
Dorfe an, der keinen Einzelfall zur damaligen Zeit darstellte.
Man kann sich auch förmlich in die Lage der damaligen Wanderschulmeister versetzen, die täglich in
einem anderen Hause um ihr Essen "betteln" mußten, und sicherlich ist gerade an diesem Tag kein
Festessen aufgetragen worden. Neben Kost und Logie erhielt der Schulmeister nur einen geringen Lohn, teils in Geld,
teils in Korn, der zum Sterben zuviel und zum Leben zu wenig gewesen ist. Aus dem Jahre 1815 ist uns die Höhe
der Besoldung des damaligen Biederbacher Lehrers Johann Aurelis Erath überliefert. Dieser erhielt für
die "Winterschule" 6 fl. (Gulden) und 1 Simra 2 Strich an Korn, für die Sommerschule 2 fl. und 9
Strich Korn. Wie wenig das auch für die damalige Zeit war, kann man daran ermessen, dass 1 Kilogramm
Rindfleisch ca. 1 fl. kostete und 1 Simra Korn ungefähr 316 Liter umfasste. Um überleben zu können,
musste sich der Lehrer noch nebenbei als Knecht oder Landarbeiter bei seinen Bauern verdingen oder ein Handwerk
ausüben.
Daneben wurde auch nicht der beste, sondern der billigste Schulmeister angestellt, was sich auf die Bildung der
Kinder negativ auswirkte. Ein beredtes Beispiel ist hier der angestellte Maurer, der sich später als Analphabet
entpuppte. Auch die Kontinuität war anfangs nicht gewährleistet, da jeweils nur für die
"Winterschule" ein "Lehrer" gedungen wurde und somit theoretisch und praktisch jeden Winter
ein anderer Lehrer die Kinder nach seinen eigenen Lehrmethoden unterrichtete. Im Sommer hatten die Kinder ja die
"Sommerschule" in Eschenbach zu besuchen. Wegen des weiten Weges und wegen der Mithilfe in der
Landwirtschaft mussten diese auch nicht täglich erscheinen, sondern nur an bestimmten Tagen in der Woche.
Eine gleichmäßige und grundlegende Bildung war somit für die Biederbacher Kinder ein Ding der
Unmöglichkeit.
Eine gewisse Besserung ihrer Schulverhältnisse konnten die Biederbacher im Jahre 1752 erreichen. Im März
dieses Jahres wurde ihnen das ganzjährige Schulhalten, d.h. die Einrichtung und der Betrieb einer eigenen Winter-
und Sommerschule, vom Deutschen Orden (Landkomtur v. Eyb) gestattet. Damit war eine gewisse Kontinuität des
Unterrichts und der Lehrkräfte möglich.
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